Lieber M.,

noch letzten Sommer habe ich mich darüber beschwert, wie ungemütlich der Weg zu F. doch sei, mein Fahrrad brauchte dringend eine Reparatur, ich hatte das Gefühl, kaum voran zu kommen und bei jeder kleinen Unebenheit - und davon gibt es in dieser glatten Stadt zum Glück kaum welche - sprang die Kette und meine Geduld raus.
Ich muss zugeben, dass ich mich über vieles beschwert habe, was ich heute schmerzlich vermisse. Das Warten zu allererst, ich warte so sehnsüchtig auf Antworten von dir. Früher war das eine solche Pein, beim Gedanken daran werde ich so verwirrt, dass ich fast nicht mehr verstehe, was ich eigentlich fühlen wollte. Wie einfach doch jetzt manches ist, aber wie viel schwieriger auch.

Jede Nacht blicke ich hoch zum Himmel und frage mich, ob ich es wohl irgendwann auch einmal dahin schaffen werde. Wie lang diese Reise wohl sein muss, aber angenehmer als das Fahrradfahren durch die sengende Hitze. Es scheint mir nur Konsequent unser Leben auf einen Stern auszuweiten, der ähnlich heiß ist wie die Sonne. Wir lernen mit der Natur, hast du doch immer gesagt, ich lerne die Hitze jetzt allmählich auch zu schätzen, ich versuche es, wirklich. Und ich versuche das Versuchen ernsthaft und mit übervollem Herzen, denn sonst, befürchte ich, kann ich die Reise in nächster Zeit nicht antreten. Darum habe ich auch aufgehört mich zu fragen, ob meine Rationen gerecht sind, erinnerst du dich, wie ich letzten Sommer noch meinte, es wäre ein Unding, dass manche mehr und manche weniger bekommen? Und dass ich gar nicht nachvollziehen könne, woran das liegt? Ein Wunder, dass ich erst jetzt begreifen lerne, selber verantwortlich zu sein, für meine Ration und meinen Heilungswillen. Wie krank wir erzogen wurden, fällt mir erst nach und nach auf, gleichwie ich immer mehr Erinnerungen in mir verblassen sehe. Aus der Vergangenheit, der eigenen und unserer gemeinsamen, zu lernen, ist mitnichten ein Akt der Leichtigkeit, wenn von der Vergangenheit so wenig geblieben ist. Aber da fängt das Denken schon wieder an! Wie dumm ich manchmal bin. Was doch viel wichtiger ist, ist die Sehnsucht!

Bitte antworte mir, aber lass’ dir Zeit, denn ich liebe das Warten! Bitte erzähl mir von dem Leben im Feuer!
Viel Liebe von der Erde rauf zu deinem Schiff,

G.